Die westfälischen Scheibenfibeln des Mittelalter
Ein besonderes Stück westfälischer Heimat Geschichte

Die Scheibenfibel

Die ganz kurze Variante der Beschreibung was denn eine Scheibenfibel ist, lautet: "Früher gab es keine Knöpfe, da wurden die Umhänge mit Fibeln zusammengehalten". Das ist selbstverständlich so, eine mehr als laienhafte Auskunft. 

Wohl wissend, dass diese Erklärung hinkt, so taugt sie dennoch dazu eine grobe Erklärung zu liefern. Aussehen und Form haben aber durchaus häufig das Aussehen eines Knopfes.

Aber mitnichten handelt es sich hier wohl um „Knöpfe“ oder überhaupt einen Gegenstand, der dazu geeignet ist, ein Kleidungsstück zu halten oder zu verschließen. Denn betrachtet man die die mittelalterliche Scheibenfibel genauer, merkt man sehr schnell, dass die genutzte Fibel Halterung, bestehend aus einer kleinen Nadelhalterung und einer kleinen Nadelrast sowie meistens einem kleinen Eisendraht, eine solche Verwendung überhaupt nicht zuließen. Einige sehr wenige mittelalterliche Scheibenfibeln besitze ich, die nicht mit einem Eisendraht, sondern mit einem Bronzedraht versehen waren und selbiger hat sich erhalten sodass die Fibel als Original und funktionsfähig bezeichnet werden kann. Bei dem Versuch der Nutzung zeigte sich eindeutig, dass die Fibel mit ihrer Konstruktion lediglich das Eigengewicht halten konnte (und selbst das nur sehr leidlich).

Also, ich stelle fest: Kein Gegenstand mit einer praktischen Funktion! 

Aber wozu diente dann die mittelalterliche Scheibenfibel? Fast sämtliche mittelalterlichen Scheibenfibeln haben eine Form, ein Bildnis oder eine Anordnung mit einem christlichen Bezug. Dies geht von einfachen Kreuzen, über Heiligenbildnisse bis zu Tieren wie Löwen, Lämmern oder Vögel und Jesusbildnissen. Ein großer Teil war Farbenprächtig und sehr schön emailliert. Somit hatte die mittelalterliche Scheibenfibel einen Erkennungswert für Christen und einen dekorativen Wert.

Aber wer trug denn nun die mittelalterliche Scheibenfibel? Mann oder Frau? Oder beide? Beide trugen die mittelalterliche Scheibenfibel wie man auf mittelalterlichen Abbildungen sehen kann. Ein Beispiel dafür sind die Stuttgarter Psalter.  

 Also würde ich sagen, dass die mittelalterliche Scheibenfibel ein sehr früher Vorgänger des Stickers ist, der sich in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts größter Beliebtheit erfreute. Zeigte der Sticker Gesinnung, Stimmung, politische Aussagen und war ebenfalls ein Utensil der Dekoration.

 Im Gegensatz zu den Fibeln der Antike, die wirklich dazu dienten Dekoration zu sein, aber auch durch die Aufwändigen Nadelhalterungen dazu ausgelegt waren, Kleidung zu halten, ist die Scheibenfibel des Mittelalters somit ein Erkennungszeichen für Christen. 

 Was macht denn dann die westfälischen Scheibenfibeln so besonders? Zuerst einmal ist das Besondere, dass die Art und Form und auch die Menge dieser Fibeln, anscheinend gehäuft nur im westfälischen Raum vorkommen. Es scheint hier eine Art von besonderem Bedürfnis bestanden zu haben sich über diese Form des Schmucks als Christenmensch erkennen zu geben. Vielleicht hängt dies damit zusammen, dass die Fibeln die fast komplett in die Zeit 8. – 11. Jahrhundert datieren, in einem christlichen Grenzgebiet getragen wurden.  Während weite Teile Deutschlands schon lange christianisiert waren, so war es ja erst Karl der Große der in den Sachsenkriegen eine Zwangskonvertierung durch setzte und dies genau in dem Gebiet des heutigen Westfalen. Und so ist es nicht verwunderlich, dass gerade entlang des Hellwegs Richtung Paderborn, dem Herzland der Sachsen, auf den heute wüsten Weilern gerade eben diese Fibeln gehäuft gefunden werden, war es doch die Strecke zur Kaiserpfalz in Paderborn.

 Mit Sicherheit war es in keinem Fall so, dass mit dem Auftauchen der Franken und der Zwangskonvertierung auch sofort alle Sachsen „vorbildliche“ Christen waren und es war sicherlich wichtig in einer Zeit des Umbruches sich als wahrer Christ von vornherein erkennen zu geben. So scheinen die mittelalterlichen Scheibenfibeln vielleicht hier Ihre Berechtigung gefunden zu haben in der Vielfalt gefunden zu werden.

 Eine wichtige Frage wäre auch noch zu klären: Warum findet man vergleichsweise viele mittelalterliche Scheibenfibeln auf den Wüstungen oder als Streufunde? In einer Zeit, in der mit Sicherheit alles recycelt wurde, besonders ein hochwertiges dekoratives Metall wie Bronze (die Scheibenfibeln bestehen fast ausschließlich im Korpus aus Bronze, Ausnahme ganz wenige Bleifibeln) wurden die Scheibenfibeln bestimmt nicht entsorgt. Damit wäre ich wieder bei meiner Annahme der eher als unzureichend zu bezeichnenden Nadelhalterung und dem daraus resultierenden Umstand, dass die mittelalterliche Scheibenfibel einfach sehr häufig verloren wurde beim Tragen.

 Damit wäre etwas ausschweifend erklärt was denn eine mittelalterliche Scheibenfibel ist und wie sie Verwendung gefunden hat.Insgesamt handelt es sich bei den mittelalterlichen Scheibenfibeln im westfälischen Raum um eine einzigartige Form und Vielfalt selbiger Fibeln. Von wahrscheinlich in Heimarbeit hergestellten Fibeln bis zu sehr filigranen und kunstvollen Stücken die in Masse produziert wurden,  reicht die Palette der Fibeln. Farben, Formen und Typologie überraschen immer wieder und nach 20 Jahren des Suchens und Findens, tauchen immer noch neue Stücke auf mit neuen Formen oder Bildnissen.  Neben den anderen Funden die man macht bei der Suche, sind die mittelalterlichen Scheibenfibeln doch eines der wenigen Fundspektren, die man als typisch westfälisch heimisch bezeichnen kann.